Künftig werden Nachbarn wichtiger / K. Schlüter

Wie wollen wir im Alter leben? Immer weniger Menschen sind bereit, in ein Pflegeheim zu gehen. Auf Einladung der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad haben eine Wissenschaftlerin und eine Politikerin Wohnformen im Alter vorgestellt.

Die Allmannsdorfer haben eine Vision. Sie möchten auf dem Areal Jungerhalde Nord Wohnungen für ältere Menschen haben – aber vielleicht auch eine neue Ortsmitte schaffen, Kindergarten und Schule aufwerten. Nur wie? Die Stadtverwaltung hat dem Ortsteil „intensive Bürgerbeteiligung“ zugesichert, wie Sven Martin sagt. Als Vorsitzender der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad hat er daher zwei Expertinnen eingeladen.

Den Anfang machte Cornelia Kricheldorff, Gerontologin und Prorektorin der Katholischen Hochschule Freiburg. Sie verdeutlichte, wie wichtig es ist, über Alternativen zum Pflegeheim nachzudenken. Grund dafür ist zum einen die deutliche Zunahme von über 80-Jährigen bei gleichzeitig immer weniger jungen Menschen. Zum anderen gebe es sehr viele Ein-Personen-Haushalte, Eltern und Kinder sind in der ganzen Welt verteilt. „Die familiären Strukturen tragen die alternde Gesellschaft künftig nicht mehr“, sagte die Professorin. Nach wie vor lebten 95 Prozent der Älteren zu Hause. Erst, wenn es nicht mehr anders geht, ziehen sie in ein Pflegeheim um. „Die heutigen Senioren äußern klar den Willen zur Selbstbestimmung“, so Kricheldorff. Die Gesellschaft stehe daher am Scheideweg: „Wollen wir immer mehr von dem ewig Gleichen oder denken wir über neue Wohnformen nach?“, fragte sie und verdeutlichte, dass an alternativen Konzepten wie Mehrgenerationenhäusern und Alten-Wohngemeinschaften kein Weg vorbeiführt. Ihr Fazit: Nachbarschaftliche Strukturen gewinnen an Bedeutung. Die Gerontologin hält eine Zusammenarbeit von professionellen Anbietern und bürgerschaftlich Engagierten auf Augenhöhe für die Lösung.

Wie dies aussehen kann, erläuterte Bärbl Mielich, Gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Sie verwies auf ein Projekt der Schwarzwaldgemeinde Eichstetten (siehe Infokasten). „Mit einem neuen Gesetz möchte die Landesregierung Anbieter dazu bringen, mehr solche kleinen, wohnortnahen Wohnformen anzubieten“, so Mielich. Trotzdem seien Pflegeheime nicht überflüssig, so die Expertinnen.

Einige Zuhörer waren begeistert, aber es klang auch Skepsis an. So fragte Sozialamtsleiterin Ute Seifried, wo das Pflegepersonal herkommen soll. „Wir müssen den Beruf durch Pflegestudiengänge aufwerten“, sagte Bärbl Mielich. Auf die Frage nach der Finanzierbarkeit antwortete die Politikerin: „Solche Modelle gibt es ja schon. Allerdings fordern sie eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Natürlich ist es für eine Kommune einfacher, wenn ein Investor ein großes Gebäude hinstellt.“

Was bedeutet das alles für Allmannsdorf? „Auf Ihrem Gelände könnten Sie eine neue Mitte schaffen, verbunden mit modernen Wohnformen und einem Quartierszentrum“, schwärmte Bärbl Mielich. „Das wird Allmannsdorf eine noch höhere Attraktivität verleihen.“