Die Quadratur eines Stadtteils / M. Lünstroth

Kann ein Neubauprojekt den Charakter eines Stadtteils verändern? Die Allmannsdorfer sagen – ja. Und sind weiter unglücklich über die Bebauung des Brunner-Areals mit 50 Nobelwohnungen.

Wulf Saur steht am Fenster seines Hauses in der Ruppanerstraße in Allmannsdorf und blickt nach draußen. Dort sieht er die Großbaustelle auf dem ehemaligen Brunner-Areal. 50 Nobelwohnungen entstehen hier, seit Jahren sorgt das Projekt für Debatten in Allmannsdorf. „Ich will das alles ja gar nicht verhindern“, sagt Saur, „aber das hier ist alles mehr als unglücklich gelaufen.“ Auf die Frage, was er damit meint, sagt Saur, „Wo soll ich denn da anfangen?“ Der Verkehr rund um die Baustelle sei schlecht bis gar nicht geregelt, der Lärm von Montag bis Samstag sei belastend, es fehle an Parkplätzen und manchmal komme er mit seinem Auto nicht aus der Straße, weil Baustellenfahrzeuge die Straße versperren. Als Arzt könne er es sich aber nicht erlauben zu spät zu einem Notfall zu kommen, weil ein Bagger im Weg steht.

Entsetzt hat ihn zudem ein Vorfall aus dem Sommer. Einer der auf der Baustelle stehenden Kräne war damals in seinen Garten gekippt und hätte fast seine Tochter erwischt. „So dilettantisch kann man doch nicht arbeiten, das war lebensgefährlich“, schimpft Saur. Er rief damals die Polizei, seither kommuniziert er mit dem Bauherren, den Deutschen Wohnwerten, nur noch mittels Anwalt. „Ich verstehe ja, dass hier neue Wohnungen gebaut werden, aber ich würde erwarten, dass man da als Bauherr mehr Rücksicht auf die Anwohner nimmt“, so Saur. Auch von den städtischen Behörden hätte er hier mehr Unterstützung erwartet.

Kann es tatsächlich sein, dass ein Kran auf einer Baustelle einfach so umkippt? Sylvio Michelitsch, Projektleiter bei den Deutschen Wohnwerten, bestätigt den Vorfall auf Nachfrage. Sein Unternehmen trage dafür aber keine Verantwortung. Der Kran sei Teil der Konkursmasse eines pleite gegangenen Stockacher Rohbauers gewesen. Als Mitarbeiter des Käufers den Kran abmontieren wollten, habe sich ein Bolzen gelöst und das Gerät sei gekippt, erläutert Michelitsch. Insgesamt ist die Stimmung zwischen den Wohnwerten und Herrn Saur nicht besonders. „Herr Saur ist nicht nur einmal massiv vorgegangen, er ist teilweise sogar handgreiflich gegenüber unseren Mitarbeitern und Kunden geworden“, sagt Michelitsch. Aus seiner Sicht ist es ungewöhnlich, wie viel Ablehnung in Allmannsdorf einem Bauprojekt entgegengebracht werde. „Wir haben uns hier überdurchschnittlich engagiert, viele Dinge gemacht, die wir nicht müssten“, erklärt Michelitsch. Zwei Mal die Woche werde zum Beispiel die Straße professionell gereinigt, Ersatzparkplätze am Fährevorplatz wurden organisiert, es habe zudem viele Gespräche mit der Bürgergemeinschaft gegeben.

Das alles hat bislang nichts an dem Akzeptanzproblem des Baus in Allmannsdorf geändert. Das bestätigt auch Alexander Gebauer, Ehrenvorsitzender der Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad (BAS). „Die Bürger hier sind nicht glücklich, auch ich finde die Bebauung zu massiv“, sagt Gebauer. Die Architektur passe einfach nicht in die Umgebung und wirke wie ein Fremdkörper in der Nachbarschaft. Wer sich die Situation von oben, vom Turm der Jugendherberge anschaut, versteht schnell, was Gebauer und mit ihm viele Allmannsdorfer meinen. Die quadratischen Kuben der „Seeside“, so der offizielle Name des Bauprojekts, sind anders als alle anderen Häuser der Umgebung. Das kann man gut oder schlecht finden, es ist einfach so.

„Hier geht es auch um die Identität von Allmannsdorf“, findet Alexander Gebauer. Neubauten sollten sich doch zumindest ein Stück weit an die Umgebung anpassen, findet der rührige Stadtteilpolitiker. Er fürchtet auch, dass sich die Struktur des Stadtteils verändert. Und er meint damit zunächst auch mal die Immobilienpreise. „Allmannsdorf war immer ein Stadtteil, in dem nicht gerade die reichen Menschen wohnten“, erläutert er. Das könnte sich ändern mit dem Neubau, gibt Gebauer zu Bedenken. Blickt man auf die Preise, die für Wohnungen in der „Seeside“ ausgeschrieben sind, kann man Gebauer kaum widersprechen. In Internet-Immobilienbörsen werden Quadratmeterpreise zwischen 7200 und 8400 Euro für diese Wohnungen verlangt.

Deshalb wird es in Allmannsdorf in Zukunft auch um die Frage gehen: Was wird aus einem Stadtteil, wenn er von einer normalen zu einer Luxuswohngegend wird? Sylvio Michelitsch von den Wohnwerten kann manche Bedenken durchaus verstehen. Er sagt aber auch: „Vergessen Sie nicht: Es war ein politischer Beschluss des Konstanzer Gemeinderats, diese Wohnungen dort zu errichten. Wir führen das nur aus.“

2012-Dezember-01-Bebauung-Gaertnerei-Brunner