Die Fluglärm-Debatte: Für Gerechtigkeit über den Wolken / Andreas Jung

Eines vorneweg: Die Schweizer sind unsere Nachbarn. Wir wollen eine gute Partnerschaft und eine enge Zusammenarbeit in der Bodenseeregion. Und weiter: Der Flughafen Zürich hat auch Bedeutung für uns. Viele Bürgerinnen und Bürger nutzen ihn und für die Wirtschaft ist er Standortfaktor. Deshalb geht es beim sogenannten „Fluglärm-Streit“ nicht um Fundamental-Opposition und es geht auch nicht um eine Auseinandersetzung „Deutschland gegen Schweiz“. Dagegen spricht schon die Geographie: Ein Flieger, der über Konstanz fliegt, muss auch über Kreuzlingen, Lärm im Kreis Waldshut betrifft auch den Aargau. Worum geht es also: Um die gerechte Verteilung der Belastungen des Flughafens Zürich, sprich des Fluglärms oder um es mit anderen Worten zu sagen: Es geht um „Gerechtigkeit über den Wolken“. Das muss der Maßstab sein. Was nicht geht ist eine Haltung nach dem Motto: Die einen entscheiden über die Erweiterung, die anderen bekommen den Lärm!

Wie ist die Situation? Schon heute gehen 80 Prozent der Anflüge über Südbaden. Bei den Abflügen sind es weniger, doch fest steht: Damit tragen wir einen erheblichen Teil der Belastung. Betroffen sind der Kreis Waldshut, der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Landkreis Konstanz. Wir brauchen an den besonders stark belasteten Stellen Entlas-tung und wehren uns im Übrigen gegen Zusatzbelastungen.

Ein Staatsvertrag soll Klarheit und Verbindlichkeit schaffen. Soweit besteht Einigkeit. Heftig umstritten ist aber die Um-setzung. Ich habe mich gemeinsam mit den baden-württembergischen Kollegen im Deutschen Bundestag gegen die Ratifizierung des von unseren Regierungen ausge-handelten Vertragswerks gewandt: Dieser Vertrag wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Die Anzahl der Überflüge über Südbaden ist nicht geregelt und beide Seiten gehen von einer völlig unterschiedlichen Anzahl möglicher Flugbewegungen aus. Das ist nicht akzeptabel. Zudem fürchten wir mehr Lärm durch eine Senkung der Flughöhe – wir fordern Klarheit über mögliche Flugrouten vor der Ratifizierung! Unterm Strich: Dem stimmen wir so nicht zu, wir fordern neue Verhandlungen.

Nun hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt uns zugesagt: Es wird keine Ratifizierung dieses Staatsvertrags „über unsere Köpfe hinweg“ geben. Er hat sich in einem insgesamt sechsstündigen Bürgerdialog in Waldshut der Diskussion gestellt und die Anliegen der Region mitge-nommen und uns dabei zugesagt, die Interessen Südbadens „vollumfänglich“ zu vertreten. Nach den schwierigen Dis-kussionen der Vergangenheit markiert das den Beginn von neuem Vertrauen in diesem Prozess.

Vertrauen und Unterstützung: Das werden wir brauchen. Denn schon steht die nächste Debatte an: Der Schweizer Flughafen plant ein neues Anflugkonzept und beantragt deshalb bei den deutschen Behörden die Möglichkeit neuer Flugrouten. Unsere Befürchtung: Das würde mehr Lärm für Südbaden bedeuten. Auch dazu haben wir eine klare Haltung: Nachdem der Staatsvertrag „auf Eis“ liegt, darf es keinen Fluglärm-Export „durch die Hintertür“ geben. Bundesminister Dobrindt hat zugesagt: Wir prüfen das intensiv und im Detail – auch mit Einbeziehung des Umweltbundesamtes. Und eine Zustimmung zu mehr Fluglärm wird es nicht geben.

Darauf setzen wir. Das alles zeigt: Diese Debatte war nie einfach und sie wird nicht einfach werden. Klar ist: Wir kämpfen gemeinsam und parteiübergreifend für die Interes-sen der Bürgerinnen und Bürger am Bodensee und in Süd-baden. Das ist unser Auftrag – und diesen werden wir auch in dieser Frage sehr ernst nehmen.

Andreas Jung / Mitglied des Bundestages